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Beitrag vom Oktober 2008

     

„Überhang und Überfall“

Wir haben es hier mit zwei Begriffen zu tun, die Sie im Berliner Nachbarrechtsgesetz vergeblich suchen werden, die aber dennoch zum Nachbarrecht gehören. Denn das Nachbarrechtsgesetz ist nicht die einzige Rechtsquelle, die das Recht der Nachbarn regelt, auch das Bürgerliche Gesetzbuch ( BGB ) hat zu diesem Thema einiges zu bieten.


Im § 910 BGB begegnen wir dem Begriff „Überhang“ und gemeint sind damit nicht nur jene Zweige von des Nachbars Baum, die über die Grundstücksgrenze auf Ihr eigenes Grundstück herüberhängen, sondern auch des Nachbarbaumes Wurzeln, die unterirdisch in Ihr Grundstück hineinwachsen. Beides dürfen Sie zwar prinzipiell abschneiden, und zwar unabhängig davon, ob der Nachbar die nach dem Nachbarrechtsgesetz vorgeschriebenen Pflanzabstände eingehalten hat. Aber Vorsicht, es gibt eine gravierende Einschränkung: Sie dürfen die Zweige oder Wurzeln nur dann abschneiden, wenn diese die Benutzung Ihres eigenen Grundstücks beeinträchtigen! Und wegen überhängender Zweige müssen Sie dem Nachbarn sogar zuerst eine Frist eingeräumt haben sie selbst abzuschneiden, bevor Sie tätig werden dürfen.

Sie sollten, wenn Sie sich in diesem Sinne betroffen fühlen, außerordentlich skeptisch mit dem Begriff „Beeinträchtigung“ umgehen. Sicher ist hier nur, daß nicht Sie allein zu bestimmen haben, was im rechtlichen Sinn als Beeinträchtigung angesehen werden kann. Wenn Sie sich mit Ihrem Nachbarn nicht einigen können und deswegen einen Prozess anstrengen, können Sie nur erfolgreich sein, wenn Sie einem Richter begegnen, der Ihre Auffassung von „Beeinträchtigung“ teilt; in einer Zeit, in der der Naturschutz sehr hoch gehalten wird, möchte sich dies aber vielleicht als schwierig erweisen.

Den herbstlichen Fall des nachbarlichen Laubs auf Ihr Grundstück müssen Sie normalerweise ebenso akzeptieren wie auch die Abschattung Ihres Lieblingsplatzes durch den „feindlichen“ Baum, aber auch diese Duldungsverpflichtung hat Grenzen: 2008 hat das Landgericht Coburg ( Az. 33 S 26/08 ) zugunsten eines Grundstücksbesitzers entschieden, der sich durch 18 Fichten auf dem Nachbargrundstück beeinträchtigt fühlte. Die Bäume standen dort schon seit Jahrzehnten und ihre Äste reichten bis zu vier Metern über das Grundstück des Klägers. Nach Ansicht des Gerichts waren die daraus resultierende großflächige Abschattung sowie die herabfallenden Nadeln und abgestorbene Äste Beeinträchtigung genug um den Baumbesitzer zum Stutzen der Äste zu verurteilen.

Dieses Urteil sollten Sie im Bedarfsfall aber lediglich als grobe Richtschnur für eigene Entscheidungen ansehen, denn Nachbarschaftsrecht ist in Deutschland Kommunal- und Landesrecht, was sich durchaus auch auf die Interpretation bundesweit geltender Vorschriften wie dem BGB auswirken kann: ein Berliner Richter ist nämlich nicht an den Spruch eines Coburger Gerichts gebunden und könnte in einem Fall wie dem hier geschilderten die Grenze der Zumutbarkeit ganz anders definieren. Ebenso können regionale Vorschriften wie ein Landesnaturschutzgesetz oder die Berliner Baumschutzverordnung zu unterschiedlicher Auslegung des BGB zwingen.
Ganz schlechte Karten haben Sie, wenn die gegnerischen Bäume unter den Schutz der Baumschutzverordnung fallen, dann dürfen Sie selbst bei grober Beeinträchtigung Ihres Grundstücks nur mit behördlicher Genehmigung beschneiden.

Wer denn nun nach Klärung aller Zweifel endgültig berechtigt ist des Nachbarn Wurzeln oder Äste zu kappen, der - so sagt § 910 BGB - kann sie auch behalten. Soweit es sich um ausreichend starke Äste handelt, kann sich der stolze Besitzer eines Kamins darüber freuen, denn die Aktion bringt ihm einen kleinen Vorrat an Brennholz. Wer hingegen nur dünne Zweige erntet, der ist in die Kehrseite gekniffen, denn er „darf“ das Geäst auf eigene Kosten entsorgen, auf keinen Fall aber dem Nachbarn ohne dessen Erlaubnis über den Zaun werfen! Es kann also durchaus sinnvoll sein, sich mit dem Nachbarn zu einigen und ihn selbst Hand anlegen zu lassen, denn dann hat er die Entsorgung am Hals.



Weitaus übersichtlicher sind die Regelungen zum nachbarrechtlichen „Überfall“: § 911 BGB behandelt mit diesem Stichwort nicht etwa den Tatbestand, daß Sie Ihrem Nachbarn auflauern um seine frisch geerntete Petersilie zu erobern, sondern vielmehr den Fall, daß Früchte von des Nachbars Bäumen oder Sträuchern auf ihr Grundstück fallen: diese Früchte dürfen Sie nämlich behalten und der Nachbar hat kein Recht sie zurückzufordern.

Aber Vorsicht: im BGB ist nur von herabgefallenen Früchten die Rede und nicht von solchen, die noch an überhängenden Zweigen über Ihrem Grundstück baumeln. Und es ist auch nur die Beziehung zwischen zwei Grundstücksbesitzern geregelt. Fallen die Früchte auf öffentliches Gelände ( eine Straße oder ein öffentlicher Park ), so bleiben sie Eigentum des Besitzers des Baumes, Spaziergänger haben also kein Recht, solche abgefallenen Früchte mitzunehmen.

Le
     

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